700 Jahre Gaiberg - Die Gedanken sind frei


Christiane Bender und Helmut Staudt bei der Reise durch die

Nicht immer Untertan, nicht nur still, duldend und stumm. Auch aufmüpfig wenn notwendig und eigen, wo angebracht. Die Gaiberger sind ein besonderes Völkchen, versuchen frei in ihrer Art zu leben. Zum 700. Jubiläum der Gemeinde steuerte der Ortsverband der SPD einen besonderen Abend bei: "Die Gedanken sind frei." Um dieses Volks- und Freiheitslied rankten sich an diesem Abend weitere streitbare Lieder und politische Gedichte. Aus sieben Jahrhunderten zusammengetragen, ausgewählt und kommentiert von Helmut Staudt. Im Bürgerforum "Altes Schulhaus" fanden sich zahlreiche Interessierte ein, um dies mitzuerleben.

Um 1800 entstanden, erlebte das Lied von den freien Gedanken mehrere Veränderungen, ganz so wie die Strömungen der Zeiten Einfluss auf Leben, Arbeit und Wirken der Menschen nahmen. "Sie werden an diesem Abend nicht nur linke Lieder hören, bei uns geht es mit rechten Dingen zu." Helmut Staudt führte durch die Stunden, wechselte geschickt die Szenarien mit Christiane Bender und Eric Schuh. "Was ist des Deutschen Vaterland?" Ernst Moritz Arndt, Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung, versuchte Einfluss zu nehmen gegen die Napoleonische Politik.

Wie arm es um die eigene Bevölkerung bestellt war, wie Ausbeutung und soziale Unterdrückung einen Sturm und eine Revolte auslösten, das wurde mit Heinrich Heine und dem schlesischen Weberaufstand um 1844 deutlich. Gab es auch Webstühle in Gaiberger Stuben zu dieser Zeit? "Altdeutschland, wir weben dein Leichentuch, wir weben hinein den dreifachen Fluch."

Es könnte der Vorabend der Revolution von 1848 gewesen sein, das Heckerlied und das Wirken des "besten deutschen Exports aus dem Kraichgau", Friedrich Hecker, wurden auf humorige Weise analysiert. Die Zeit des Eisernen Kanzlers, Otto Eduard Leopold von Bismarck, wechselte mit dem Blick zurück ins Mittelalter. Karin Neimanns begleitete die Lieder und Moritaten am Klavier, Alfred Kury steuerte den Tenor bei.

Freiheitsdrang, Knechtschaft, Krieg und Leid, die tief greifende soziale Unterdrückung der Menschen, Sebastian Brand stellte mit seinem Buch "Das Narrenschiff" 1494 bereits Allegorien her zu Neigungen und Irrungen der Menschheit. Mit Hans Sachs, Ulrich von Hutten und Martin Luther kam die Ebene der Religion, des tiefen menschlichen Glaubens hinzu. "S´ist Krieg" von Matthias Claudius verdeutlichte die innere Zerrissenheit zwischen Sühne, gefühlter Eigenverantwortung und Schuld. "Was hülf mir Kron und Land und Gold und Ehre, die könnten mich nicht freun, ´s ist leider Krieg - und ich begehre, nicht schuld daran zu sein."

Es war kein weiter Sprung zu Berthold Brechts "Legende vom toten Soldaten", zu Tucholsky, Günter Grass´ "Kinderlied", Wolf Biermanns "Die Stasi-Ballade", Georg Kreisler oder Hanns Dieter Hüsch. Allesamt linke Literaten, etwa verwirrte Geister? Oder doch eher Kämpfer für eine neue Welt, eine gerechte Ordnung, eine erstrebenswerte Zukunft?

Die Welt dreht sich, die Zeiten ändern sich, 700 Jahre sind seit erster urkundlicher Erwähnung des Fleckens Gaiberg vergangen. Im musikalisch-literarischen Zeitraffer verflogen die Jahrhunderte, Strukturen wandelten sich. Doch die Menschen stehen mittendrin in all den Wirren. Das war in Deutschland nicht anders als in Gaiberg. Ein geistreicher, anspornender Abend. 

 

Hier gibt es die Gedichte- und Liedersammlng als Download.

 

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